Donnerstag, 24. April 2014

Zeitreise in die Neunziger

Es kommt einem gar nicht so vor, als sei es so lang her, dass man die Jahrtausendwende gefeiert hat. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als die Menschen auf den geilsten Jahreswechsel ihres Lebens hin fieberten, Sekten den Untergang der Welt vorher sagten (als würde sich der Weltuntergang nach einer willkürlich gewählten Zahl richten) und wenn die Welt nicht untergeht, dann sollte sie doch im reinsten Chaos versinken, weil der Y2K-Bug vor der Haustür stand.

Das ist gerade mal 15 bis 20 Jahre her. Nicht nur, dass ich mir plötzlich steinalt vorkomme, nein, die Art zu reisen und sich zu informieren war komplett anders. Internet bekamen wir 1995 ins Haus. Aber auch nur so früh, weil meine Eltern für die Arbeit ein 14.400er Modem daheim brauchten, sonst hätte man sich den heißen scheiß bestimmt nicht daheim hingestellt. An Reiseplanung per Internet war aber praktisch gesehen noch nicht zu denken. Mein erstes Mobiltelefon hatte ich ungefähr 1998 mit einer D2-Callya-Karte. Telefonieren war damit nicht leicht. Es gab viel zu viele Funklöcher und die Preise waren so hoch, dass man es wirklich nur im Notfall nutzte.

Man kann also ohne Probleme sagen, meine Offline-Reise nach Bremen war auch irgendwie eine Reise in die Neunziger. Den Komfort unserer digitalisierten Welt muss man leider hinter sich lassen. Spontane Absprachen über das Handy gehen einfach nicht. Das musste auch die Apartment-Besitzerin für meine Unterkunft erfahren. Eine kurzfristige Änderung der Buchung in ein anderes Apartment konnte sie mir nicht mehr per SMS zukommen lassen, weil ich einfach kein Handy an mir hatte. Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als den zuvor vereinbarten Treffpunkt um 15 Uhr in der Herbststraße wahr zu nehmen und dann von dort aus zum anderen Apartment zu laufen. Das hatte dafür aber auch perfekt geklappt und sie war auch absolut pünktlich dagewesen. Ich habe dort im Zimmer "Leonardo" in übernachtet.

Zimmer Leonardo
Auch nach dem nächsten Laden zu googeln, der Fotos in einer Stunde entwickelt ist eher schwer. Man fragt also einen der vielen Bremer und hofft, dass die Person gegenüber die Antwort auf diese ungewöhnliche Frage weiß.
Herr Google kennt solche Antworten für gewöhnlich in Sekunden schnelle und kann einem dann auch noch die Öffnungszeiten des Ladens sagen, verlinkt auf die Homepage und routet einen bis zur Eingangstür. Heute würde man aber auch nicht mehr danach googeln, wo man Fotos entwickeln lassen kann, weil eh alles digital ist.

Am meisten hat mich aber das Konzept der Telefonzellen schockiert. Zum einen, wie viele Telefonzellen und Telefonsäulen es eigentlich noch gibt und zum anderen sind es aber die Kosten, die durch ein Telefonat an einer Telefonzelle entstehen.
Als ich mit einer gebuchten Mitfahrgelegenheit telefoniert hatte um die Rückreise nach Düsseldorf zu planen, habe ich doch sage und schreibe 1,50€ für drei Minuten Gesprächszeit bezahlen müssen. Ich weiß noch nicht mal ob sich das die Abzocker von 9Live seiner Zeit getraut hätten, so viel für einen Anruf zu nehmen.

Aus Tablet wird Stift und Papier
Aus Handys werden Telefonzellen

Zu reisen wie vor 20 Jahren ist schon kompliziert. Das größte Problem dürfte aber gewesen sein, dass keiner heutzutage darauf eingestellt ist, dass jemand weder Internet noch Handy hat.
In den Neunzigern wäre es vermutlich genau andersherum gewesen. Eine Buchung übers Internet wäre undenkbar gewesen. Hätte man um eine SMS-Benachrichtigungen gebeten, hätten einen die Leute ungläubig gefragt, was man mit der SM-Szene zu tun hat.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Google+